Zum Werk des Malers Michael Beckers
"Die Welt des
Bildermachens als Steinbruch benutzen," das ist das Konzept des Malers
Michael Beckers. Was dies für die Themen, Motivwahl und Technik seiner
Arbeiten bedeutet, lässt sich an einem seiner Bildern erläutern,
das - wie ich finde etwas von einer programmatischen Idee besitzt. Das
Bild "Baustelle". Ursprünglich war dieses Bild ein großformatiges
Gemälde von 1976, das Beckers gut 20 Jahre nach seiner Entstehung
beschneidet und die Leinwand abschleift, wobei nicht nur die Farbschichten
aufgerissen werden, sondern auch der Bildträger selber Blessuren
erleidet. Beckers zieht die Leinwand neu auf und fügt das Baustellenmännchen
ein. Das lachende Paar, Synomym für Sorglosigkeit, für ein strahlendes
Leben, scheint dem Plakat hinter ihm entsprungen zu sein, auf dem es gleich
vielfach zu sehen ist. Munter springen die Beiden von der Welt der Werbung
in die Welt einer neuen Wirklichkeit. Dort eine scheinbar ausweglose Situation
hier der Sprung von einer Wirklichkeit in die andere.
Und mittendrin der Künstler die Künstler, so müsste man
genauer sagen. Denn wer von den bildenden Künstlern kennt wohl nicht
das bedrängende Bewusstsein, zu Beginn des 21 Jahrhunderts kaum noch
wirklich eigene Bildwelten im Sinne von neuen Bildwelten schöpfen
zu können, kaum noch etwas sagen zu können, was nicht so oder
so ähnlich bereits gesagt wurde in der Jahrtausende alten Sprache
der Malerei, der Zeichnung und Bildhauerei. Michael Beckers ist sich dieser
Situation bewusst. Er verleugnet sie nicht, sondern stellt sich ihr auf
eine ebenso bewusste wie konsequente Weise: er bedient sich bereits vorhandener
Realitätsbilder, um diese abmalend und abzeichnend zu variieren.
Damit tritt er ein in eine Auseinandersetzung mit vorgefundenen Realitäten,
aber auch mit deren Variationen, neuen Blickwinkeln, neuen Zusammenhängen,
in die sie durch ihn, den Künstler gebracht werden. Er münzt
vorhandene, vorgefundene Wahrheiten um und bietet neue Ebenen einer Bilderfassung
an. Seine Bildrealitäten stammen aus 2. Hand, second hand sozusagen,
bereits getragen, benutzt, erprobt, durch fremde Augen und Hände
gefilterte Wirklichkeiten. Finden tut er die Bildrealitäten in Versandhauskatalogen,
in Prospekten, in Zeitungen, auf Fotografien, die eigene oder
fremde sein können, auf Postkarten, in Kinder und anderen Büchern.
Diese malt Beckers wahrheitsgetreu ab, führt den Betrachter auf die
Fährte des fotorealistischen Arbeitens und zur gleichen Zeit in die
Irre, wenn er dem vorgefundenen Bildermaterial andere Realitäten
zur Seite stellt: Motive aus dem uralten Fundus der Kunstgeschichte zum
Beispiel, aber auch Piktogramme wie das Baustellen- männchen oder
Symbole, die ebenfalls jedem bekannt sind wie das Wollsiegelzeichen, es
können aber auch Comics oder Kinderspielzeug sein und so erschafft
er auf der fotorealistischen Welt eine surreale, rätselhafte und
verrätselte Welt. Schließlich bietet Beckers hier und da in
seinen Bildern Satzfragmente an, die das Bild komplettieren, Interpretationsansätze
anbieten, die aber zugleich auch Verwirrung stiften. Wenn Beckers inhaltlich
zurückgreift auf eine breite Palette von Wirklichkeiten und Abbildern,
so ist er auch in der Wahl der künstlerischen Techniken sehr vielfältig:
So arbeitet er etwa streng naturalistisch und fotorealistisch gleichzeitig
aber auch informell und abstrakt. Sowohl inhaltlich als auch technisch
lässt er sich auf vorhandene Realitäten ein, spürt ihnen
nach, geht auf sie ein und tritt in einen Dialog mit ihnen. Das Ergebnis
bietet dem Betrachter einen witzigen, humorvollen Dialog der Realitäten,
mal einen ironischen, mal einen gesellschaftskritischen, mal einen nachdenklichen
stimmenden. Der Kontrast zwischen den Wirklichkeiten ist es, der den Zugang
zu Beckers Bildwelten spannend und reizvoll macht.
Sigrid Blomen-Radermacher
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